Messung und Zusammensetzung der Inflation in Deutschland


Die Inflationsrate lag im Jahr 2021 im Durchschnitt bei 3,1 %. Dies war der höchste Stand seit 1993. Aktuell beträgt sie nach vorläufigen Zahlen für den Januar 4,9 % und damit 0,4 % niedriger als noch im Dezember 2021. In den Medien waren Schlagzeilen wie „Inflation verliert an Schwung“ oder „Inflation sinkt“ zu lesen. Solche Meldungen sind jedoch irreführend und vermitteln ein völlig falsches Bild von der aktuellen Situation. Der formale Rückgang der Inflationsrate ist in Wahrheit ein rapider Anstieg, denn im Januar 2022 fiel bei der Erhebung der Inflationsrate der Basiseffekt aus der Umsatzsteuersenkung bis Dezember 2020 weg.

Zur aktuellen Interpretation: Die Inflationsrate wird immer über die Preise im jeweiligen Vorjahresmonat gemessen. Durch die um 3 % gesenkte Umsatzsteuer von Juli bis Dezember 2020 fielen die Inflationsraten im Juli bis Dezember 2021 deutlich höher aus. Der Effekt liegt bei ca. 1,3 % - 1,4 %. Da dieser Basiseffekt nun im Januar 2022 aus der Messung rausfiel, hätte die Inflationsrate auch mindestens in diesem Ausmaß sinken müssen, um von einer nachlassenden Inflationsdynamik zu sprechen. Des Weiteren verringerte sich im Januar 2022 auch der Basiseffekt aus den weltweiten Rohstoffpreisen, da diese im Januar 2021 deutlich höher waren als noch im Dezember 2020. Dieses Argument wurde in den letzten EZB-Sitzungen immer wieder angeführt, warum die Inflation im Jahr 2022 schnell zurückgehen wird. Stattdessen vermeldete heute das Statistikamt Eurostat, die Inflationsrate in der Eurozone sei nach ersten Schätzungen auf 5,1 % gestiegen. Es lässt sich also festhalten, dass die Inflationsdynamik im neuen Jahr nochmal deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Es ist höchste Zeit für die EZB, zu handeln und den Euro wieder zu einer stabilen Währung zu machen.

Zur Messung der Inflation in Deutschland: Dafür wird der Warenkorb eines Durchschnittsbürgers herangezogen. Dazu gibt es tausende Testhaushalte in Deutschland, die jede einzelne Ausgabe protokollieren und regelmäßig an das Statistische Bundesamt schicken müssen. Die Auswertung des Konsums der Testhaushalte zur Bestimmung des Warenkorbs ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, sodass der Warenkorb nur alle 5 Jahre angepasst wird – zudem mit einer Verzögerung von 3 Jahren. Dies bedeutet, aktuell haben wir den Warenkorb mit dem Basisjahr 2015 und erst 2023 wird der Warenkorb auf das Basisjahr 2020 angepasst. Der Warenkorb wird in 12 Kategorien eingeteilt, welche aktuell (Basisjahr 2015) folgende Gewichtungen aufweisen:

  • Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe: 32,47 %
  • Verkehr: 12,9 %
  • Freizeit, Unterhaltung und Kultur: 11,3 %
  • Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke: 9,7 %
  • Andere Waren und Dienstleistungen: 7,4 %
  • Möbel, Leuchten, Geräte u.a. Haushaltszubehör: 5 %
  • Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen: 4,7 %
  • Gesundheit: 4,6 %
  • Bekleidung und Schuhe: 4,5 %
  • Alkoholische Getränke und Tabak: 3,8 %
  • Post und Telekommunikation: 2,7 %
  • Bildungswesen: 0,9 %

Bei der Betrachtung der Gewichtungen wird schnell klar, dass die persönliche Inflation des Bürgers oftmals stark von den Durchschnittswerten abweicht. Manche Bürger zahlen aktuell nicht nur knapp 5 % mehr für ihre Lebenshaltung, sondern 7 % oder 8 %, andere nur 2 % oder 3 %. Zudem hat sich durch den technischen Fortschritt und die Corona-Krise auch der Warenkorb des Durchschnittsbürgers in den letzten 7 Jahren massiv verändert. Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt liegt in der Berücksichtigung von Qualitätsverbesserungen durch die sogenannte hedonische Methode (übersetzt: „Lustzugewinn“ durch Qualitätsverbesserungen): Wenn ein Durchschnitts-PC im Jahr 2021 noch 1.000 € und im Jahr 2022 nun 1.100 € kostet, denkt der normale Bürger erstmal an eine Preissteigerung von 10 % - nicht aber das Statistische Bundesamt. Denn der neue Durchschnitts-PC hat Qualitätsverbesserungen in Bezug auf Leistung, Speicherkapazität, Grafikkarte und weiteren Merkmalen. Daher werden die Qualitätsverbesserungen quantifiziert, d.h. der Mehrwert wird in Euro umgerechnet und anschließend wieder vom neuen Preis in 2022 abgezogen. Die Plus-Minus-Redaktion der ARD hat dazu auch einen schönen Beitrag erstellt. So ist z.B. das I-Phone von Apple gemäß der Preisberechnung des Statistischen Bundesamt in den zehn Jahren von 2011 bis 2021 um 48 % günstiger geworden. Ein anderes Beispiel bezieht sich auf Autos: Der VW-Golf kostete bei Markteinführung 1974 umgerechnet 4.100 €, 2021 in der Basisausführung 20.000 €, d.h. er ist um 388 % im Preis gestiegen. Laut Statistischen Bundesamt hat sich der Preis für Autos in diesem Zeitraum nur um 182 % erhöht. Als Erklärung wird angeführt, dass ein moderner Golf größer ist, mehr Platz im Kofferraum und mehr PS hat, sowie zahlreiche Extras wie elektrische Fensterheber, Airbag, ABS, etc. besitzt, deren Mehrwert von der eigentlichen Preissteigerung abgezogen werden muss.

 

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